Das Fußbindemuseum in Wuzhen
Gastbeitrag von Ulrike Hecker
Im fernen China gibt es ein Museum voller Schuhe! Wunderschöne Schuhe mit seidenen Fäden kunstvoll bestickt. Man kann förmlich spüren, mit wieviel Sorgfalt und Liebe diese Schuhe hergestellt wurden.
Doch halt! Etwas ist seltsam an den Pantoffeln! Sie sind klein, ja geradezu winzig! Handelt es sich um Fußbekleidung speziell für Kleinkinder oder gar für Puppen?
Nein! Die schreckliche Wahrheit hinter den Schühchen ist ein altes Schönheitsideal in China. Kleine Füße waren bei den Männern beliebt. So etwas kleines, zerbrechliches musste er doch einfach liebhaben!
Der Beginn eines schrecklichen Schönheitsideals
Anfangs beschränkte Mann sich also darauf, eine Frau mit kleinen zierlichen Füßen zu finden. Doch nur wenige Frauen waren so klein und zart. Schon gar nicht, als der Trend zu immer winzigeren Füßchen ging. 12 bis 15 Zentimeter lang sollten sie im Idealfall sein!
Ein normaler Frauenfuß kann auch in China auf mehr als 20 Zentimeter wachsen. Das ging gar nicht! Also musste etwas gegen das Wachstum unternommen werden!
So entstand vor rund 1.300 Jahren die Idee, die Füße am Wachsen zu hindern. Der beste Zeitpunkt dafür schien gekommen, wenn das Mädchen ungefähr 5 oder 6 Jahre alt war. Die Mutter oder die Amme banden die zarten Füßchen so, dass die Zehen keinen Platz hatten. Da dies aber nicht einfach das Wachstum stoppte, wurden die Zehen gebogen oder gar gebrochen, sodass sie unter der Sohle eingeklemmt wurden. Es folgten Jahre voller Schmerzen. Immer wieder wurden die Füße neu und enger gebunden. Der einzige Trost war die Aussicht, nach all den Qualen eines Tages einen wohlhabenden Mann zu heiraten.
In der Regel wurden die Bandagen parfümiert und kunstvoll gestaltete, kleine Spezialschuhe getragen. Bandagen und Schuhe wurden meist auch im Bett anbehalten, um das weitere Wachstum der Füße zu verhindern und Entzündungen und faulige Gerüche zu kaschieren.
Statussymbol wohlhabender Männer
Frauen mit gebundenen Füßen entwickelten einen trippelnden Gang, der sie mit den Hüften wackeln ließ. Die fanden manche Männer aufregend. Eine Gattin mit winzigen Füßen war außerdem ein Statussymbol. Es zeigte, dass man es sich leisten konnte, dass die Frau im Haus blieb und die notwendigen Aufgaben im Haus und bei ihrer Unterstützung von Dienstpersonal übernommen wurde.
Kampf gegen die Tradition des Füße Bindens
Schon im 19. Jahrhundert, noch während der Qing-Dynastie (1636 ~ 1911), regten sich die ersten Stimmen gegen das Füße binden. Es war außerdem auch nicht so, dass alle Frauen sich dieser Tradition unterwarfen. Für Nomadenfrauen und Bäuerinnen kam es gar nicht infrage, denn mit den gebundenen Füßen waren sie nicht in der Lage, bei der Arbeit zu helfen.
Verbote halfen lange Zeit kaum. Noch bis in die 1930er Jahre wurde die traditionelle Praxis des Füße Bindens vereinzelt aufrechterhalten. Erst mit der Gründung der Volksrepublik 1949 wurden Verbote durchgesetzt. Allerdings ging das zu Lasten der Frauen, die nun gezwungen wurden, unter Schmerzen ihre Füße zu befreien.
Die letzten Erinnerungen
Was bleibt, sind die vielen wunderschönen kleinen Schuhe. Noch bis in die 1990er Jahre gab es Werkstätten, die die kleinen Schühchen herstellten. Es war der ganze Stolz der Frauen, die ihre Schuhe dann selbst bestickten.
Wenn es jetzt noch Frauen mit gebundenen Füßen geben sollte, müssten sie um die 100 Jahre alt sein. Die letzte Fabrik, die Spezialschuhe für abgebundene Füße herstellte, schloss 1999.
Alle Informationen zu den Museen
Informationen zum Fußbindemuseum http://wuzhen.de/footbinding-culture-museum.html
Wer sich solche Schuhe mal in Live anschauen möchte kann im Urlaub mal einen Abstecher nach Bremen machen, denn man muss nicht bis nach China zu reisen, um die bestickten Schuhe für die gebundenen Füße zu sehen.
Das Überseemuseum in Bremen verfügt über eine umfangreiche Sammlung. https://www.uebersee-museum.de/
Vielen Dank
Recht Herzlich möchte ich mich bei meiner Gast Autorin Ulrike Hecker aus Hamburg bedanken, die mit sehr viel Liebe im Detail ihren wirklich interessanten Blog führt und sich mit allem was es gibt, rund um das schöne China auseinander setzt. Hier solltet ihr unbedingt mal vorbei schauen. Jeder der mich kennt, weiß das ich ein riesen Fan der Asiatischen Kultur bin und deshalb habe ich mich über das Angebot eines Gastbeitrages gefreut.
Hier noch ein paar Informationen über die Autorin:
Ulrike Hecker, Jahrgang 1955, reist seit mehr als 30 Jahren immer wieder nach China. Sie hat sich in das riesige Reich der Mitte mit all seiner kulturellen und landschaftlichen Vielfalt verliebt. Ihre Leidenschaft für China spürt man besonders in ihrem Bambusblog, in dem sie ihre Erlebnisse und Eindrücke schildert. www.bambooblog.de
Hier geht es zum eigenen Beitrag von Ulrike über die Lotusfüße
https://www.bambooblog.de/lotosfuesse/
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Almut Schacht (Mittwoch, 18 September 2024 06:14)
Ich lese gerade das Buch "Die gute Erde" von Pearl S. Buck. Fantastisch geschrieben, gibt Einblick in die Familientraditionen in China Anfang des 20. Jahrhunderts.